An vielen Stellen fehlt der Mut und die Zeit rennt weg

Innenstadt-Nord
15.03.2021 – Bericht

Eindrücke von der Bürger*innenkonferenz zum Handlungsprogramm Klima Luft 2030
am 13. März 2021 (online)


Zunächst finde ich es gut, dass es auch in Pandemiezeiten solche Konferenzen gibt. Eine richtige Diskussionskultur kommt im Online Format aber nicht zustande. Die Bürger*innenveranstaltung am letzten Samstag lief über Youtube und zog sich - technisch zwar gut präsentiert - in fünf Gesprächsrunden mühsam über sieben Stunden hin. Erreicht wurden maximal 50 Besucher*innen zu einem Zeitpunkt. Die Fragen der Zuschauer*innen wurden über E-Mail gesammelt und nicht immer passend in die Diskussionsrunden gestreut.
Den Impulsvortrag hielt Holger Robrecht von ICLEI, einem weltweiten Verband von Städten und Landkreisen für Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung (RVR ist dort Mitglied). In einem rasanten Parforce-Ritt machte er die Notwendigkeit und die Dringlichkeit einer Klima-Transformation deutlich und zog Parallelen mit dem Montan-Strukturwandel der letzten Jahrzehnte. Die Hauptlast der Umsetzung liegt bei den Kommunen als Instanz zwischen EU/Bund/Land, die einen gesetzlichen Rahmen setzen und Fördermittel ausschütten können und auf der anderen Seite die Bewohner*innen, die aktiviert werden sollen ( … oder getrieben werden müssen).
Das Tempo sank deutlich in den nachfolgenden Diskussionsrunden zu den Handlungsfeldern „Landwirtschaft und Ernährung“, „Luftqualität“, „Bauen“ und „Erneuerbare Energien und Energieeffizienz“. Stets gleichmäßig besetzt mit Fachleuten aus Umweltberatung, Handwerk/Wirtschaft , Verwaltung und dem Klimabündnis (Zusammenschluss Dortmunder Umweltorganisationen). Die Politik war außen vor. Trotz unterschiedlicher Themen zeigte sich deutlich ein homogenes Rollen-Verhalten der Akteure:

  • Handwerk / Unternehmen: Sie haben die Botschaft des Klimawandels weitgehend verstanden und sehen Klimaneutralität auch als Aufgabe für Innovation, eine Chance für Arbeitsplätze und Möglichkeiten für Wertschöpfung, beklagen aber bürokratische Hürden.
  • Klimabündnis: Hier war die Unzufriedenheit über die Stagnation in Dortmund deutlich zu merken. an mehreren Stellen kam der Hinweis, dass die Zeit knapp ist und die nächsten 10 Jahre die letzte Chance bilden, den Temperaturanstieg noch abzubremsen.
  • Berater*innen: waren manchmal merkwürdig zurückhaltend. Sie wollten ihrem Auftraggeber (Stadt Dortmund) wohl nicht zu sehr in den Rücken fallen.
  • Verwaltung / DEW: Der Handlungsdruck in Richtung Klimaneutralität war den diskutierenden Mitarbeiter*innen sehr bewusst. Manchmal wirkten sie aber wie eine angezogene Handbremse, immer wieder wurde auf die Grenzen des Handelns hingewiesen, auf zu wenig Personal, u.s.w.. Die Verwaltung will als Vorbild agieren (das merkte man), aber es gibt 100 Gründe, warum dies und jenes so nicht oder nicht so schnell geht. Sehr nervig.

Eine Schwäche des Handlungsplans im derzeitigen Stadium wurden in der Diskussion deutlich sichtbar: Das Handlungsfeld "Mobilität" – ein ganz wesentlicher Bereich im Klimaschutz – wurde aus dem Aufgabenspektrum des Handlungsplans abgetrennt und soll im Rahmen des noch zu erstellenden Masterplans Mobilität 2030 bearbeitet werden. Argumente: es sollen keine Doppelstrukturen geschaffen werden, im Rahmen des Masterplans gibt es noch ausreichend Beteiligungsmöglichkeiten. Das finden nicht alle Akteure gut. Es macht durchaus Sinn, wenn Umsetzungsmaßnahmen so konzipiert werden, dass sie in beiden Plänen Platz finden.


Was kann man von den Diskussionen mitnehmen?

Wie aktiviert man die Bevölkerungsteile, die keine überzeugten Klimaaktivist*innen sind? Da gab es eine gewisse Ratlosigkeit (exemplarisch die Preisdiskussion um Bioprodukte), aber auch eine positive Erkenntnis des Planungsdezernenten. Es genügt nicht, Beratungsangebote zu schaffen, sondern es muss auch eine „aufsuchende Beratung“ geschaffen werden, die z.B. gezielt aus den zahlreichen Fördermöglichkeiten die passenden heraussucht und die Kunden aktiv unterstützt.

  • In diesem Zusammenhang kam häufiger der Wunsch nach einer verstärkten Einbindung der Bürger*innen: Stichwert "Co-design" statt unverbindlichen Informationsveranstaltungen
  • Es fehlt meist nicht an guten Ideen und erfolgreichen Politprojekten, wohl aber an einem flächendeckenden Ausrollen.
  • Im Bereich der Wärmedämmung und der Optimierung der Wärmeversorgung im Altbaubestand ist immer noch ein riesiges Einsparpotenzial und auch hier Beratungsdefizite für Hauseigentümer*innen.
  • Der Ausbau der Photovoltaik in Dortmund stagniert und alle zeigen mit dem Finger auf die jeweils anderen. Deshalb ist die Vorbildfunktion der Stadt Dortmund hier besonders wichtig. PV auf städtischen Dächern haben Pilotcharakter für den privaten Ausbau, insbesondere bei Gewerbebetrieben. Leider sei „die Planungsverwaltung noch nicht klimaschutzaffin“ meinte eine Mitarbeiterin des Umweltamts.
  • Aber auch positive Punkte: Frischluftschneisen werden zukünftig besser baurechtlich gesichert, um Hitzeinseln in den dicht besiedelten Quartieren entgegen zu wirken.

Um ehrlich zu sein, die Erfolgsaussichten des neuen Konzepts – so wie es sich jetzt darstellt - sehe ich skeptisch. Die Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen im Vorfeld fanden sich nur teilweise in der vorliegenden Kurzfassung des Zwischenberichts und des Maßnahmenkatalogs. Auf die Langfassung wurde verwiesen, als es kritische Anmerkungen aus dem Klimabündnis gab. Diese Fassung wurde aber offenbar weder dem Klimabündnis noch den politischen Gremien bereitgestellt. Die politischen Gremien sollen im 3. oder 4. Quartal 2021 das ganze absegnen. So dass bis 2030 dann nur noch 8 Jahre Zeit bleiben. „Co-Design“ aus der Politik scheint nicht sehr erwünscht zu sein.
Ein Teilnehmer hat einen schönen Vergleich gebracht: die derzeitige Lage des Klimaschutzes empfindet er wie ein Fußballspiel Dortmund gegen die favorisierten Bayern und Dortmund liegt zurück. Nach meiner Einschätzung ist gerade die 75. Minute angebrochen und der Rückstand ist 1:3.

Noch viel Potenzial: PV Anlagen auf Schulgebäuden (c) Schwinn